11.08.2010

Hallo sie – ich wott da usstige!

Zugfahren find ich toll. Selbst wenn ich mich dabei verfahre. Soll halt gefälligst mal jemand ein Navi für Züge basteln und mir schenken! Ah und – vergesst es, iPhones gelten nicht! Auf Schienen durch die Welt zu rattern macht Spass, macht traurig, bringt einem auf Ideen und vor allem an unbekannte Orte.


Dementsprechend ist es gar nicht so abwegig, wenn mir momentan der Vergleich vom Leben mit einer Zugfahrt einfällt. Man sitzt in seinem eigenen Abteil, das man so gestalten kann wie man will. Man kann Bilder von Beat Schlatter übers WC hängen, kann selbstgehäkelte Teekannenwärmer als Fussheizung benutzen und die Tapetenfarbe selber wählen. Es kann zwar passieren, dass die Heizung im Winter mal ausfällt oder der Backofen nicht anspringt, aber im Grossen und Ganzen hat man das Leben in seinem Waggon im Griff.


Wo es hingeht hingegen kann man kaum bestimmen. Manchmal geht’s auf den Güterbahnhof, wo weitere Waggons angehängt werden. Man trifft die Leute aus diesen Abteilen bei den Streifzügen durch die Gänge. Zu manchen entwickelt man Freundschaft und Zuneigung, während man andere überhaupt nicht ausstehen kann.
Solange der Waggon dieser Person jedoch an der eigenen Lok hängt wird man diese immer wieder sehn, bis wieder umrangiert wird und das mittlerweile vertraute Gesicht von jetzt auf gleich von der Bildfläche verschwindet.
Manchmal merkt man erst gar nicht, dass wieder umrangiert wurde, bis man auf dem Weg zu einem Freund seine Abteiltür nicht mehr findet.


Man kann ans hinterste Ende des Zuges gehen und dabei Gefahr laufen, das eigene Abteil nie mehr wieder zu erreichen, aber aussteigen kann man nicht. Es gibt Waggons, die überhaupt nie abgehängt werden, oder wenn dann nur für kurze Zeit um später an einer anderen Stelle des Zuges wieder aufzutauchen.


Es kann sein, dass man mit einem Menschen ein Wochenende bei Wein und Rosinen in seinem Waggon verbringt um einen Tag später feststellen zu müssen, dass der Wagen über Nach abgehängt worden ist. Man kann zwar hoffen, dass das Abteil irgendwann wieder in seinem Zug auftaucht, aber sicher sein kann man sich nie.
Wir haben bei der Zusammenstellung unseres Zuges genau so wenig Einfluss wie bei der Richtung. Wir können dem Lokführer zwar ein Zettel unter der Tür hindurch schieben, auf dem steht wo wir gerne hin würden, aber ob er sich an den genauen Kurs hält oder überhaupt erst darauf eingeht ist fraglich.


Manchmal fährt der Zug tagelang die gleiche Strecke hin und her oder bleibt an einer Blockade stehen. Wir können aus dem Fenster sehen, die Bäume durch das offene Fenster berühren, aber wir können nichts mitnehmen, genauso wenig wie wir zu den Leuten, die in einem anderen Zug an uns vorbeirauschen Kontakt aufnehmen können.
Zwischendurch kommt es zwar vor, dass zwei Züge genau nebeneinander anhalten und man sich durchs Fenster hindurch unterhalten kann – um die Menschen aber zu berühren muss man darauf hoffen, dass sie bald dem eigenen Zug angehören werden.


Oft habe ich übelst Lust, den Maschinenraum zu sabotieren, um die Lok zum stehen oder wenigstens zur verlangsamten Fahrt zu zwingen, aber es funktioniert nicht. Das Gespann fährt unbeirrt weiter um Morgen wieder Situationen und Menschen aus meiner Reichweite zu reissen und andere hinein zu pflastern.

Deshalb frag ich hier einfach alle mal: Magst du ein bisschen Zeit mit mir verbringen, bevor es für dich wieder in eine andere Richtung geht?


Stuttfart?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen